30 Jahre Gefälle Ost, 30 Jahre „der faule Ossi-Hetze – 30 Jahre abgehängter Osten

30 Jahre wiedervereinigtes Deutschland und alles scheint wunderbar.

Blühende Landschaften, zufriedene Menschen, die sehr gut von ihrer Hände Arbeit leben können, die auskömmliche Renten haben und die sozial abgesichert sind…?

Nicht im Osten und auch nicht nach 30 Jahren Wiedervereinigung! Wenn der Osten aufbegehrt, dann folgt Hetze und Häme und man malt das Bild des „Jammerossis“.

Schon im 30. Jahr des Mauerfalls wetterte ausgerechnet ein Wessi…, oh Verzeihung „Ein in den Altbundesländern Geborener“, der im Osten sein Geld verdient, gegen den Osten.

Wieder einmal hatte dieses sprichwörtliche „In den Dreckziehen“ des Ostens Methode.

Reint Gropp, Präsident des Leibniz-Institutes für Wirtschaftsforschung Halle rührte mit seinen verbalen Attacken gegen den Osten die mediale Werbetrommel für sein Institut zu rühren (das ironischer Weise NICHTS mit dem Butterkeks der Firma „Bahlsen“, zu tun hat), um mit markigen Sprüchen Geldhähne zu öffnen.

Eine Studie seines Institutes, die eher nach einer Hetzkampagne gegen den Osten klang, als nach fundiert wissenschaftlich“. Vereintes Land – drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall“.

30 Jahre 2

Die jahrelangen Subventionspolitik hatte negative Konsequenzen“, sagte er.

Man habe damit Unternehmen im Osten verleitetet, nicht benötigte Arbeitsplätze zu erhalten.

Deshalb seien Firmen im Osten noch immer weniger produktiv als im Westen.
Man müsse endlich aufhören, im Osten auf Teufel komm raus Arbeitsplätze zu erhalten“, so die Empfehlung von Gropp mit Blick auf das Land.
Fördergelder sollen künftig vor allem in Städte und in besonders produktive Unternehmen fließen“, befand das Institut.

Dieses Bestehen auf gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland hat in die Irre geführt“, sagte Gropp.

Was für eine Verhöhnung der Menschen im Osten!


Aber das kommt einen doch bekannt vor, als Ossi, der in der DDR aufwuchs und die Wende im jungen „Werktätigenalter“ und nicht als Kindergartenkind erlebt hat.

Das hatten wir alles nach 1990 schon einmal.

Treuhand fertig.jpg

Wessis, die im „Westen“ weggelobt wurden, bekamen für den Gang in den Osten eine monatliche, üppige „Buschzulage„, wie sie „liebevoll“ genannt wurde.

Wer erinnert sich nicht noch an die Arroganz von so manchem „Wessi“, der in führende, öffentliche Ämter hineingehievt wurde und den „faulen Ossis“ sprichwörtlich das Arbeiten beibringen wollte.

Diese besondere Spezies gab es sehr bald überall im Osten (Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel).

In öffentlichen Ämtern, der Politik, in den Schulen aber auch in Führungspositionen von neu angesiedelten Firmen aus dem „Goldenen Westen“.

Letzte lockten natürlich die Profitmaschine: Der billigen Arbeitskräfte an.

Diese wiederum waren schon glücklich darüber, ein paar D-Mark in der Tasche zu haben, mit „guten“ Jobs, die allerdings nicht annähernd so bezahlt wurden, wie im Westen.

Im Westen lachte man über diese Peanuts natürlich, die man den willigen Ossis vor die Füße warf und sich dazu noch als Wohltäter aufspielte.


Wenn man die Pressemitteilung zur Studie gelesen hatte, dann konnte man nur staunen.

Hier ein paar Ein- und Ausblicke:

Man schreibt:

„Ob Wirtschaftsleistung, Löhne, Zuwanderung oder Bildung:

In vielerlei Hinsicht zeichnen die regionalen Muster nach wie vor die einstige Teilung zwischen DDR und alter Bundesrepublik nach.

+++Klischee und Vorurteil zugleich – Polemik pur+++

Dann wirbt man mit dem Inhalt der Studie.

In der Einleitung der Studie wirbt man damit, dass man neue Untersuchungsergebnisse zur wirtschaftlichen Situation und Entwicklung im wiedervereinigten Deutschland präsentiert.

So weit – so gut.

35 Karten und Grafiken in besagter Publikation des Leibniz- Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) sollen beweisen, dass es NICHT förderlich ist, den ländlichen Raum im Osten weiter in dem Maße, wie bisher zu fördern.

Ganz gleich, ob die Unterscheide in den Lebensverhältnissen, eng verknüpft mit dem immer noch enormen Lohngefällen im Osten weiter darunter leiden würden.

+++ Stattdessen sollten in Zukunft nur die Ballungsgebiete und die rentablen Unternehmen mehr gefördert werden +++


Dort also, wo schon mehr, als genug vorhanden ist.
Frei nach dem Motto: „Der Teufel sch… immer auf den größten Haufen.“


Drei zentrale Befunde sollen dazu die Beweise liefern:

1) Die Wirtschaft im Osten Deutschlands ist weniger produktiv, als im Westen – aber nicht nur wegen fehlender Konzernzentralen.

Der Befund ist eindeutig (schreibt man):

464 der 500 größten deutschen Unternehmenhaben haben ihren Sitz im Westen der Republik, das sind etwa 93%.
Da generell die Produktivität mit der Betriebsgröße steigt, ist in Ostdeutschland eine geringere Produktivität zu verzeichnen.

Dass Potenziale für Produktivitätssteigerungen in Ostdeutschland noch nicht ausgeschöpft werden, hat nach Einschätzung der IWH-Ökonomen auch mit staatlichen Subventionen zu tun:
Sind diese an die Bedingung geknüpft, Arbeitsplätze zu erhalten oder zu schaffen, dann kann das einer Erhöhung der Arbeitsproduktivität im Wege stehen.

Empfehlung des Institutes:

!!! In Zeiten von Fachkräftemangel sollte Wirtschaftsförderung deshalb nicht um jeden Preis für Arbeitsplätze sorgen, sondern für Produktivitätssteigerung!!!

Mein Statement zu Punkt 1)

+++Im Osten nur „Verlängerte Werkbänke“ der Konzerne im Westen+++
Hätte man in den drei Jahrzehnten zuvor, im Osten eine vernünftige, wirtschaftliche Infrastruktur aufgebaut, anstatt im Osten immer nur Zweigbetriebe oder Filialen von großen Unternehmen, vornehmlich im Vertriebs- statt im Produktionssektor zu errichten und hätte man mit der Unterstützung der Politik Unternehmen einen anderen Anreiz, als die billigen Löhne im Osten, als Perspektive geboten, so hätten wir dieses Gefälle nicht.
Alleine die Aussage, dass 464 von 500 der größten, deutschen Unternehmen im Westen ansässig sind, ist ein Schlag ins Gesicht der Ostbürger.

Man hat schon zum Jahrtausendwechsel, wenn es um den Osten ging, ständig im ironischen Ton davon gesprochen, dass wir seit der Wende kein Produktionsregion mehr sind, sondern einzige eine Konsumregion.

Gemeint waren und sind damit die unzähligen Supermarktketten, Konsumtempel, die seit der Wende aus dem Boden schossen und nach und nach die Stadt- und Ortszentren immer weiter lahm gelegt und den Mittelstand ausgehöhlt haben.
Es ist das Versagen der Politik, die unsere Regionen im Osten so unproduktiv gemacht haben.
Und dies sorgt auch heute noch dafür, dass das Gefälle von Lohn und damit Lebensqualität weiter fällt, anstatt sich anzugleichen.


2) Wer die Städte stärkt, bringt das ganze Land voran.

Konzernzentralen sind häufig in den (westdeutschen) Städten angesiedelt, und drei Viertel der Beschäftigten im Westen arbeiten in Städten.

Im Osten arbeiten nur rund die Hälfte in Städten.

Empfehlung des Institutes:

Wenn sich aber die Wirtschafts- kraft in Ost und West weiter annähern soll, muss man vor allem die Städte stärken.
Denn dort entstehen jene hochwertigen Dienstleistungen, die die Wirtschaft mehr und mehr bestimmen.
In der Wissensgesellschaft sind Städte die zentralen Orte von Forschung, Innovation und Wertschöpfung – und damit für Wohlstand.

Mein Statement zu Punkt 2)

Bildquelle: www.stadtwanderer.net – Sprengt die Käseglocke

Sicherlich ist es richtig, die Ballungsgebiete zu stärken, jedoch ist es ein fataler Fehler, die ländlichen Gebiete erneut zu vernachlässigen.
Wirtschaftlicher Wohlstand für Alle soll scheinbar keine Triebfeder mehr in unserer Gesellschaft sein?

Profitmaximierung um jeden Preis?

Wohlstand ja – aber bitte nur in den Städten und Ballungsgebieten?
Der erste Schritt dorthin wurde doch schon gemacht.
Berlin und Brandenburg, will eine enge Zusammenarbeit in den infrastrukturellen Fragen.
Berlin hat Wohnungsnot und das Brandenburger Umland hat freie Bauflächen.
Man will massiv investieren.

Allerdings nur in einem Umkreis von ca. 60 Fahrminuten in die Berliner Innenstadt.
Dort wird in Zukunft massiv gebaut, ausgebaut und saniert – ALLES zum Wohle der Hauptstadt.

Das restliche Umland Brandenburg darf Zuarbeit leisten – aber nicht teilhaben.
Schließlich braucht man ja Erholung, Grün und saubere Luft für die feinstaubgeplagten Städter.

Auch so etwas gab es zu Zeiten der DDR schon.
Alles wurde in Berlin invsetiert und den Berlinern förmlich in den Hintern geschoben, während der klägliche Rest der Bevölkerung sich mit den sprichwörtlichen „Knochen“ abfinden musste


Schlussendlich folgt nun noch Befund Nummer 3) der natürlich der political Correctness halber NICHT fehlen darf.

3) Für mehr Fortschritt braucht es hinreichend Fachkräfte.

In Ostdeutschland fehlen zunehmend Fachkräfte. Das hat vier Gründe.

(1) Der Osten hatte bis zum Anfang der 2000er Jahre einen größeren Anteil hochqualifizierter Beschäftigter als der Westen; dieser Vorsprung ist mittlerweile fast überall verlorengegangen.

(2) Die Schulabbrecherquoten sind höher als in Westdeutschland.

(3) Die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter nimmt in den ostdeutschen Flächenländern in Zukunft deutlich schneller ab als in den westdeutschen.

(4) Hochqualifizierte Zuwanderer, die zum Beispiel eine Blaue Karte EU haben, ziehen viel eher in west- als in ostdeutsche Regionen.
Nur Berlin zieht überdurchschnittlich viele von ihnen an.

(Diese „Feststellung“ beinhaltet schon die „Empfehlung“ des „Butterkekses“)

Mein Statement zu Punkt 3)

Erstaunlich, dass man in der Studie angibt, dass der Osten bis Anfang 2000 einen größeren Anteil an höher qualifizierten Beschäftigten hatte, als der Westen.
Was aber hat man daraus gemacht, muss man sich dann fragen?
In welchen Branchen im Osten hat man denn diese hoch qualifizierten Menschen regelrecht „verbrannt“? Wo sind denn die großen, produktiven Unternehmen geblieben, die sich ansiedeln wollten.

Auch die Treuhandanstalt, die sogenannten Volkseigenen Betriebe und Großkombinate der DDR privatisieren sollte, tat auch ihr Übriges,
die Weichen für eine derartige Zukunft im Osten zu stellen
Schwerwigende Strukturveränderungen, die den massiven Abbau unzähliger
Arbeitsplätze und je nach Region mit Massenarbeitslosigkeit zur Folge hatten waren die Folge.

Was blieb also den hoch qualifizierten Beschäftigten übrig, als den Osten verlassen zu müssen und in den Westen zu ziehen, um vernünftige Bezahlung, für vernünftige Arbeit und Arbeitsbedingungen zu haben.
Wer im Osten blieb, musste sich mit den, im Punkt 2) schon erwähnten „Knochen“ zufrieden geben.

Minderqualifizierte Arbeit in Supermärkten, Dienstleistungsunternehmen und Handwerksbetrieben, die ihr Arbeitsfeld zumeist weit im Westen hatten, sodass die Arbeitsbedingungen für die Arbeiter schlecht waren.

Gute Arbeit für Gutes Geld – Im Osten seit dreißig Jahren eine Fehlanzeige!

Und auch heute ist dies nicht anders.

Logisch also, dass heute die Wirtschaft im Osten geprägt ist von mittleren und kleinen Unternehmen.
Wir brauchen heute allerdings, trotz Schulabbrechern KEINE MASSIVE ZUWANDERUNG, um den Fachkräftemangel auszugleichen, der übrigens „Hausgemacht“ ist.

Seit über zehn Jahren ist der drohenden Fachkräftemangel im Bereich Altenpflege, der Lehrer- und Erziehermangel der Politik bekannt.

Und es wurde NICHTS getan, um dem gegenzusteuern. Ganz im Gegenteil, es wurde in einigen Bereichen sogar massiv Stellenabbau betrieben.

Statt z.B. auf dem zweiten Bildungsweg im Bereich Altenpflege massiv Fachkräfte für Altenpflege, statt nur Pflegehelfer auszubilden oder im Erzieherberuf ebenfalls qualifizierte Erzieher, statt nur Assistenten, hat man lieber an der staatlich finanzierten Ausbildung gespart, anstatt Gesetze zu ändern und zu flexibilisieren.

Es war und ist nämlich kaum möglich eine, für den Beruf „Pflegefachkraft“ und für den „Erzieherberuf“ dreijährige Ausbildung zu bekommen, da die Jobcenter ausschließlich nur zwei Jahre finanzieren.

Ausländischen Fachkräfte brauchen wir nur bedingt – Aber was wir brauchen ist eine neue und leichtere, vor allem aber flexiblere Möglichkeit solche wichtigen Fach-Ausbildungen unbürokratischer zu finanzieren.


Wir wollen damit auch die Politik ermutigen: Wenn sie die strukturellen Probleme in Gesamtdeutschland angeht, kann sich auch der Osten gut entwickeln.“

Und wir sollten unsere Städte als Orte der Innovation und für qualifizierte Zuwanderung attraktiver machen.“, schließt die Pressemitteilung mit Gropp‘ s Worten.

Im Impressum schreibt man noch:

Das Institut ist unter anderem Mitglied der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, die halbjährlich Gutachten zur Lage der Wirtschaft in der Welt und in Deutschland für die Bundesregierung erstellt.

Damit scheint Vieles gesagt zu sein.

Dass die Studie des Butterkeks-Institutes scheinbar gut und gern in die politische Ausrichtung der Altparteien passt und deren jahrzehntelanges Versagen in der Gleichstellung und der verfehlten, wirtschaftlichen Aufwertung des Ostens ablenken soll, lässt die Werbetrommel von Gropp für die Studie vermuten und natürlich seine offensive Polemik gegen den Osten.

Ist er doch selbst ein „gutes“ Beispiel dafür, dass man lieber einen „Wessi“ an die Spitze eines Institutes im Osten, nämlich in Halle setzt, als einen „Ossi“.

Die Studie beweist meines Erachtens nur, dass es auch dreißig Jahre nach dem Mauerfall
immernoch Menschen gibt, denen der Osten, die Menschen im Osten und vor allem
die Beseitigung der Unterschiede zwischen Ost und West nicht wirklich am Herzen liegen.

Aber Emphatie ist halt nicht jedem gegeben – ob Professor oder nicht.

+++Da bin ich auf jeden Fall und vielleicht auch gerade diesen Leuten zum Trotz sehr gern ein OSSI!+++

Euer Matze LentzschProjekt4

Euer Matze Lentzsch

Wer sich einmal informieren möchte und der durchschaubaren Polemik von Gropp zu seiner Studie auf den Grund gehen will, dem empfehle ich ein Buch von 2014, ebenfalls mit Zahlen und Fakten und Statistiken untermauert.

Die zementierte Spaltung: Der Osten bleibt abgehängt. Fakten, Zahlen, Statistiken

Die Wende und die deutsche Einheit gelten als Erfolgsgeschichte schlechthin.
Nur wenige melden an diesem Zerrbild öffentlich Zweifel an.
Klaus Blessing und Wolfgang Kühn gehören dazu.
25 Jahre nach dem Fall der Mauer belegen sie, gestützt auf eine Vielzahl an aussagekräftigen Fakten, Daten und Statistiken, dass die ständig kolportierte These von der Pleite der DDR nicht stimmt.
Auch dass insbesondere die Folgen der Vereinigung als Ruhmesblatt für die nationale Geschichtsschreibung keineswegs taugen.
Im Gegenteil, sie zeigen eindrucksvoll, wie selbst nach einem Vierteljahrhundert die ökonomische oder gar soziale Einheit Deutschlands noch in weiter Ferne ist.
Der Osten ist weiterhin abgehängt, die Spaltung wurde zementiert und es ist dem Leser eine leichte Aufgabe, aus der Fülle der Argumente zu erschließen, in wessen Interesse das auch so bleiben wird.


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Kommentare

3 Antworten zu „30 Jahre Gefälle Ost, 30 Jahre „der faule Ossi-Hetze – 30 Jahre abgehängter Osten“

  1. Avatar von Dieter Jörg List
    Dieter Jörg List

    Klasse 👍👏👏👏

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