35 Jahre Tschernobyl (Teil 2) – Wie damals die diktatorische SED und später selbst die WHO verheerenden Folgen verschwiegen

Die verheerenden Folgen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986, deren Vertuschung, deren herunterspielen und das Leugnen von viel zu hohen Strahlungswerten in den Lebensmitteln der DDR durch Staatsmedien, durch Staatsführung, deren Geheimpolizei „Stasi“ und der Denunziantenarmee in der Bevölkerung richtete nicht nur damals massive Schäden an.

d5024cbd-0e47-4ac1-8b32-35d0bf247c3f


Informationsbericht eines SED-Rentners zur Situation in der Bevölkerung zum Reaktorunfall

Dass manche Menschen kein Gewissen oder zumindest Skrupel hatten ihre nächsten Nachbarn ans Messer zu liefern (was übrigens auch heute wieder als Phänomen häufig zu Tage tritt), kann man anschaulich an diesem Originalbericht des MfS sehen.

Quelle: www.media.stasi-mediathek.de

8df9d525-2f37-449a-aafe-3523f627dc38
Der Rentner „Mustermann“ spioniert in der Nachbarschaft und lieferte Berichte über Mitmenschen an die Stasi, die sich kritisch zu der offiziellen Verlautbarungen zur Reaktorkatastrophe äußerten oder sich weigerten zu glauben, dass es keine Kontamination von Frischlebensmitteln gab.


Milch und Frischgemüse wurden gemieden

Selbst ich erinnere mich noch, dass die Regale in den Kaufhallen im Frühjahr 1986 überraschend gut mit Obst und Gemüse gefüllt waren.

Das lag nicht an einer massiven Überproduktion,  sondern daran, das viele  Produkte für den Export in die Bundesrepublik vorgesehen waren.

Der „Westen“ nahm das z.T. kontaminierte Gemüse und Obst nicht mehr ab.

In der DDR war man allerdings auch gewarnt. Aber erst durch das Westfernsehen.

Was natürlich dafür sorgte, dass die Menschen verunsichert waren und dies natürlich auch untereinander diskutierten. (Alles wurde dokumentiert)


Die Furcht der Menschen vor atomarer Verseuchung wuchs auch in der DDR.


Und die Denunzianten schrieben Berichte…


Namen, Alter, Adressen – Alles wurde akribisch an die Stasi weitergegeben.


Es konnte der Arbeitskollege, der Nachbar, ja sogar ein Familienmitglied sein –
Der Umfang der Akten der Stasi über ihre Bürger war erschreckend.



Natürlich gab es zu jener Zeit auch in der DDR eine Bewegung, die auf die verschwiegenen Gefahren der Atomenergie aufmerksam machen wollten.

So richtete eine Gruppe der unabhängigen Friedens- und Ökobewegung einen Appell an die Regierung und die Bürger der DDR:

Tschernobyl wirkt überall„:

MfS_Sekretariat-Neiber_Nr-333_Bl-004_6E0F39F9FBB044919A2B09DA1EBB6AEB


Dies erregte natürlich das absolute Missfallen der DDR-Staatsführung, sodass man umgehend Maßnahmen ergriff.

Am 13.06.1986 erging vom MfS aus folgender Befehl:

2 MfS_Sekretariat-Neiber_Nr-333_Bl-001_3EBFE9361A074336989C53BEFB9D58A3


1

Man warf den Organisatoren „konspirative und staatszersetzende Propaganda“ vor und versuchte eine Weiterverbreitung des Appels mit allen Mitteln zu unterbinden.


2

Wie hier zu lesen ist, waren die Unterzeichner das Appels schon im Visier der Stasi

Man leitete umgehend „Politisch-operative Maßnahmen[1] ein.

Was das bedeutete brachten erst die Stasiakten zutage, die nach dem Fall des DDR Regimes offengelegt wurden.

Man macht die betreffenden Personen unglaubwürdig, übte Psychoterror aus und ging auch so weit, dass man die Familie der Betroffenen unter Druck setzte.


3


5

Man wollte um jeden Preis verhindern, dass die Bewegung ihren Appell weiter verbreiten konnte.


6

 

Dies war nur ein Beispiel, wie oppositionelle und/oder kritische Bürger bespitzelt, unter Druck gesetzt, diffamiert und sogar psychisch und gesellschaftlich, vor allem aber öffentlich als Feinde des Staates verunglimpft und geächtet wurden.

 


Das Vertuschen und Verschließen der Augen vor den Langzeitfolgen war  auch im Westen präsent.

 

c9c50b7b-9397-4353-9eda-b85e0a80d175


Man wollte auch im Westen nicht wahr haben, wie gravierend die Folgen dieses Reaktorunfalls waren und in der Zukunft auch noch werden würden.

Eine ordentliche Aufarbeitung, auch im Bezug auf gesundheitliche Langzeitschäden für kommende Generationen fand nie wirklich statt.

Warum? Auch im Westen war die Atomenergiegewinnung ein brisantes Thema und die Lobby sehr stark.
Der Reaktorunfall in Tschernobyl hatte Fragen aufgeworfen, welche die Atomlobby nicht hören wollte und schon gar nicht beantworten konnte.

Politik und Enegielobby arbeiteten auch damals schon Hand in Hand, wenn es um die Erhaltung von künstlich erzeugten Saubermann-Images ging. (So wie heute, die Windkraft-Lobby und die Grünen – doch das ist ein anderes Thema)

Gesundheitliche Folgen und Lagzeitfolgen für künftige Generationen

Die Folgen der Strahlung zeigten sich noch im selben Jahr – wurden aber kaum in die Öffentlichkeit gebracht.

In Berlin wurde 1986 ein ungewöhnlicher Anstieg der Säuglingssterblichkeit beobachtet.
1986 stieg die Säuglingssterblichkeit in Berlin im Vergleich zum Vorjahr von 10,6 auf 12,5 im ersten Lebensjahr gestorbene Säuglinge pro 1.000 Lebendgeborene.

d56a2d16-47ea-4cb3-993c-05f02d64658f

Doch lange Zeit danach, wollte man sich damit nicht auseinandersetzen.

Doch nicht alle Wissenschaftler verschlossen die Augen.

2003 erschien, in Vorbereitung auf den 17. Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe der Otto-Hug-Bericht der Gesellschaft für Strahlenschutz e.V. , bezüglich der Tschernobylfolgen untersuchte man Daten zur Neugeborenensterblichkeit (Perinatalsterblichkeit), der Geburtenrate und der Fehlbildungen die von amtlichen Stellen ermittelt wurden.

Die Analyse der Totgeburten führt zu erschreckenden Ergebnissen:

In Bayern, den neuen Bundesländern, West-Berlin, Dänemark, Island, Lettland, Norwegen, Polen, Schweden und Ungarn gibt es nach ihrer Analyse einen Totgeburtenüberschuß von etwa 3200 Fällen zwischen 1986 und 1992.

Die Autoren wiesen damals darauf hin, dass erstaunlicherweise in den einzelnen Ländern darüber nicht schon Ende der 80er Jahre berichtet wurde.

Zu einer Zeit, da dieser Effekt schon deutlich zu erkennen war, zumal die zugrundeliegenden Daten frei zugänglich waren.


Doch das Vertuschen und Herunterspielen der Langzeitfolgen nahm und nimmt immer noch unfassbare Dimensionen an.

Selbst die WHO war und ist verstrickt in diese Machenschaften der Atom-Lobby.

logo-whoBildquelle: WHO

Auf der Seite des IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.) wird harte Kritik an der Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) und der WHO selbst geübt.

Knebelvertrag zwischen WHO und IAEA

Für die Internationale Atomenergiebehörde IAEA gibt es keine Todesopfer und Erkrankungen, die auf die Strahlenbelastung von Tschernobyl zurückzuführen wären.

Die IAEA hat satzungsgemäß die Aufgabe, die Atomenergie zu fördern.

Ein Vertrag mit der Weltgesundheitsorganisation WHO hindert diese an einer unabhängigen Erforschung und an der Aufklärung der Öffentlichkeit über die Folgen von Tschernobyl.

Unglaublich aber nicht unmöglich, denn die WHO ist NICHT UNABHÄNGIG.


Studie von 2011 belegt falsche und geschönte Zahlen von Krebsopfern in ganz Europa

2011 erschien eine weitere Studie „Gesundheitliche Folgen – 25 Jahre nach Tschernobyl“ der Gesellschaft für Strahlenschutz e.V.

Gesundheitliche Folgen von Tschernobyl„:

Studie Gesundheitliche Folgen 25 Jahre nach Tschernobyl 2011 Gesellschaft für Strahlenschutz e.V


Besonders strahlenbelastete Populationen durch die Tschernobyl-Katastrophe

  1. a) Aufräumarbeiter (Liquidatoren) die direkt in Tschernobyl tätig waren:

830.000 (Yablokov, 2010)

  1. b) Evakuierte aus der 30 km Zone und weiteren sehr stark kontaminierten Zonen:

350.400 (Yablokov, 2010)

  1. c) Bevölkerung der stark strahlenbelasteten Zonen in Russland, Weißrussland und der Ukraine:

8.300.000 (Yablokov, 2010)

  1. d) Europäische Bevölkerung in geringeren, strahlenbelasteten Zonen:

600.000.000 (Fairlie, 2007)

1c18f207-271a-45e9-b0ba-7732988b5ea1

Krankheiten/Gesundheitsschäden als Folge der zusätzlichen Strahlenbelastung durch Tschernobyl

Krebserkrankungen:

Dabei ist zu bedenken, dass viele Krebserkrankungen eine Latenzzeit von 25 bis 30 Jahren haben.

Bisher sehen wir in der Bevölkerung erst die Schilddrüsenkrebserkrankungen, die Brustkrebserkrankungen und Hirntumore bei Kindern

Bei den Liquidatoren sind darüber hinaus auch viele andere Organe von Krebs betroffen:  Prostata, Magen, Blutkrebserkrankungen.

Genetische Veränderungen:

Fehlbildungen, Totgeburten, fehlende Kinder

Nichtkrebserkrankungen:

Viele Organsysteme können betroffen sein, Störungen der Gehirnfunktionen, beschleunigte Alterungsprozesse, psychische Erkrankungen

Bis 2050 werden in Gesamteuropa noch tausende mehr Krankheitsfälle diagnostiziert werden, die ursprünglich vom Atomunfall in Tschernobyl verursacht worden sind.  Die Verzögerung zwischen Ursache und bemerkbarer körperlicher Reaktion sind tückisch. Tschernobyl ist noch lange nicht vorüber.

Besonders tragisch ist das Schicksal tausender Kinder, die totgeboren wurden oder als Säuglinge starben, die mit Fehlbildungen und Erbkrankheiten zur Welt kamen oder die mit Krankheiten umgehen müssen, die sie unter normalen Umständen noch lange nicht bekommen hätten.


Hinweis auf die Unzuverlässigkeit offizieller Daten der WHO und der Die internationale Atomenergiebehörde IAEO

Bei den im September 2005 vom „Tschernobylforum der Vereinten Nationen“ unter Federführung der IAEO und der WHO vorgelegten Arbeitsergebnissen zu den Folgen von Tschernobyl lassen sich gravierende Unstimmigkeiten nachweisen.

Ein Beispiel: 

In den Presseerklärungen von WHO und IAEO wird erklärt, dass künftig höchstens 4.000 zusätzliche Krebs- und Leukämietote unter den am meisten belasteten Menschengruppen zu befürchten wären.

Im zugrunde liegenden Bericht der WHO für das „Tschernobylforum“ geht es jedoch tatsächlich um 8.930 künftige Tote, die jedoch in keinem Zeitungsbericht Erwähnung finden. 

Überprüft man die im WHO-Bericht zu dieser Frage angegebene Literaturquelle, so ergeben sich aus dieser Quelle sogar 10.000 bis 25.000 zusätzliche Krebs- und Leukämietote.

Vor diesem Hintergrund ist nüchtern festzustellen:

Die offiziellen Verlautbarungen der IAEO und der WHO manipulieren sogar die eigenen Daten. 

Ihre Darstellungen der Folgen von Tschernobyl haben mit der Realität wenig zu tun.

Quelle: „Gesundheitliche Folgen von Tschernobyl


FAZIT:

Mit- oder sogar Hauptschuld der WHO an der Vertuschung von Ergebnissen, die eine echte Aufarbeitung der Langzeitfolgen von Tschernobyl für ganz Europa und deren künftigen, gesundheitlichen Folgen bedeuten könnten

Die Weltgesundheitsorganisation WHO war bisher in ihrer Berichterstattung über Tschernobyl-Folgen sehr zurückhaltend. Insbesondere hat sie den fortgesetzt unrichtigen Behauptungen der UN-Organisationen IAEA und UNSCEAR nicht widersprochen. Die Hintergründe sind nur wenigen bekannt.

Denn zwischen der Internationalen Atomenergieagentur IAEA und der Weltgesundheitsorganisation WHO besteht ein Vertrag über die Art des gegenseitigen Umgangs [Res. WHA 12/40 vom 28.05.1959].

Darin haben die IAEA und die WHO u. a. vereinbart:

Art. I.1: »… sie werden in enger Zusammenarbeit miteinander handeln und werden sich regelmäßig in Angelegenheiten des gemeinsamen Interesses konsultieren

Art. I.2: »… wird es von der WHO anerkannt, dass die IAEA vor allem die Aufgabe hat, Forschung, Entwicklung und praktische Anwendung der Atomenergie für friedliche Zwecke weltweit zu ermutigen, zu fördern und zu koordinieren.«

Art. III.1: »Die IAEA und die WHO erkennen an, dass es notwendig sein kann, gewisse Einschränkungen zur Wahrung vertraulicher Informationen, die sie erhielten, anzuwenden

Dadurch kann die IAEA verlangen und darauf vertrauen, dass Forschungsergebnisse z. B. zu den tatsächlichen Gesundheitsfolgen der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl, die für die Interessen und Ziele der IAEA nachteilig sind, den Status der Vertraulichkeit erhalten und deshalb von der WHO, trotz detaillierter Kenntnis, der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden dürfen.

(Quelle:https://www.ippnw.de/atomenergie/gesundheit/artikel/de/knebelvertrag-mit-der-who.html)


Die WHO als großer Vertuschungsverein lässt tief blicken und lässt die Vermutung zu, dass die Langzeitfolgen von Tschernobyl noch viel verheerender sind. Vor allem aber, dass man Organisationen wie der WHO nicht wirklich vertrauen kann.

Die genetischen Schäden, die das Unglück von Tschernobyl verursacht hat, werden die Welt noch lange beschäftigen – die meisten Auswirkungen werden erst in der zweiten oder dritten Generation sichtbar werden.

Traurig dass eine „Welt-Gesundheits-Organisation“ nicht wirklich für die Gesundheit der Weltbevölkerung agiert und darüber aufklärt, sondern Lobbyarbeit gegen die Gesundheit und Aufklärung betreibt.

Euer Matze Lentzsch

PS: Vielen Dank an KS für die tolle Grafik zu meinem Artikel



[1]Begriffserklärung (Quelle: Wikipedia) „Politisch-Opperative Maßnahmen“ durch die Stasi (MfS):

Als repressive Verfolgungspraxis bestanden die Zersetzungsmethoden aus umfangreichen, heimlichen Steuerungs- und Manipulationsfunktionen und subtilen Formen ausgeklügelten Psychoterrors bis in die persönlichsten Beziehungen der Opfer hinein. Das MfS griff dabei auf das Netz an „Inoffiziellen Mitarbeitern“ (IM), staatliche Einflussmöglichkeiten auf alle Arten von Institutionen sowie die „Operative Psychologie“ zurück. Durch gezielte psychische Beeinträchtigung oder Schädigung versuchte das MfS auf diese Weise, den als Gegner bzw. Feind wahrgenommenen Dissidenten und Oppositionellen die Möglichkeiten für weitere „feindliche Handlungen“, das hieß politische Betätigung, zu nehmen.


Kommentare

Eine Antwort zu „35 Jahre Tschernobyl (Teil 2) – Wie damals die diktatorische SED und später selbst die WHO verheerenden Folgen verschwiegen“

  1. Avatar von Christel Grosser
    Christel Grosser

    > Gesendet: Montag, 26. April 2021 um 21:08 Uhr

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert